Wien (OTS) - Der Wahlkampf bekommt einen neuen Sound. Und dieser wird
deutlich härter. Spät, aber doch, und für die Regierungsparteien zum
ungünstigsten Zeitpunkt, erschüttern hundert Tage vor der
Nationalratswahl schlechte Nachrichten vom Arbeitsmarkt die
Botschaft, wonach das Land weitgehend unbehelligt durch die Krise
segelt.
Objektiv mag das sogar richtig sein, doch subjektiv ist
dieser Eindruck am Kippen.
In dieser Situation steigt der Druck auf jede Regierung,
dagegenzuhalten. Und damit die Gefahr, aufgrund kurzfristiger
Interessen langfristig mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Die feste
Überzeugung, die Wähler mit teuren Geschenken milde stimmen zu
können, muss unauslöschlich in die politische DNA von Regierenden
eingestanzt sein. Sogar Parteien, die in normalen Zeiten das
Gegenteil predigen, werfen dann die eigenen Prinzipien über Bord. Die
Summe der Wahlversprechen aller Parteien beläuft sich schon jetzt,
nach einer Berechnung der APA, auf über 20 Milliarden Euro. Und das
Beste - und Teuerste - kommt bekanntlich immer erst zum Schluss.
Konjunkturankurbelung durch Geldausgeben ist für Politiker die
leichtestmögliche Übung. Allein der mittlerweile erhebliche Druck von
europäischer Seite zu finanzpolitischer Solidität setzt dem effektive
Grenzen. Der politische Preis, der hierfür zu entrichten ist, besteht
in der teilweisen Entmündigung nationaler Demokratie. Es geht
offensichtlich nicht anders. Und die EU wird dadurch eher auch nicht
populärer, wenn Politiker behaupten, sie würden ja wollen, nur die
böse EU-Kommission erlaube es nicht.
Es ist zu hoffen, dass SPÖ und ÖVP in den letzten hundert Tagen
kühlen Kopf bewahren und nicht in hektische Alibi-Aktionen verfallen,
deren Wirkung rasch verpufft.
Die Art und Weise, wie die Entscheidung
zum Golan-Abzug vorbereitet, getroffen und nun vollzogen wird, lässt
allerdings so manche Zweifel aufkommen.
Natürlich nehmen jetzt, hundert Tage vor dem Wahltag, die
Begehrlichkeiten, nimmt der Druck auf die Regierung von allen Seiten
zu. Diesen zu widerstehen, gehört zu ihrer Verantwortung. Wenn SPÖ
und ÖVP dazu nicht in der Lage sind, ist es vielleicht besser, die
Legislaturperiode noch weiter zu verlängern. Dann hätten die Wähler
zwar noch weniger mitzureden, dafür bliebe mehr Zeit, die
Wahlkampfschulden abzustottern.
Quelle APA-OTS, Aussender: "Wiener Zeitung"
Wer aktiv an einem Wahlkampf teilnimmt, erlebt immer wieder das Phänomen, dass Menschen gerne etwas geschenkt bekommen, und wenn es nur ist, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
AntwortenLöschenMan sieht daran wie gerne Menschen ernst genommen werden und auch umworben werden wollen- vielleicht hat das mit einer immer mehr entsolidarisierten Gesellschaft zu tun?
Es ist verständlich dass Parteien dieses Bedürfnis im Wahlkampf bedienen, besser wäre allerdings eine ernsthaft geführte Diskussion über Demokratie und Verteilungsgerechtigkeit ausserhalb der Wahlzeiten.