27. Mai 2013

WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Afghanistan lässt grüßen

Genfer Friedensprozess statt Bewaffnung einer nicht greifbaren Kriegspartei

Wien (OTS) - Die innenpolitisch angeschlagenen Regierungen von Großbritannien und Frankreich spielen mit dem Feuer. Allen Ernstes wollen sie Kriegswaffen an die "gemäßigte syrische Opposition" gegen Machthaber Assad liefern - für Rüstungskonzerne ein feines Geschäft. Doch dabei werden Erinnerungen an das Afghanistan der 1980er-Jahre wach, als die USA die Mudschaheddin mit massiven Waffenlieferungen unterstützten.

Damals ging es noch gegen den Erzfeind Sowjetunion; am Ende stand das terrorismusfreundliche, radikalislamische Taliban-Regime. Trotz einer mehr als zehn Jahre dauernden internationalen Militärpräsenz warten die Taliban heute nur auf den Abzug des Westens, um wieder die Macht zu übernehmen. Eine Terrorbasis ähnlichen Potenzials könnte nun weit näher an Europa entstehen. Denn die "gemäßigte Opposition", von der Premier Cameron und Präsident Hollande sprechen, gibt es nicht. Mehr als 600 bewaffnete Gruppen haben Assad den Krieg erklärt. Wie soll da verhindert werden, dass moderne französische und britische Waffen in die Hände kompromissloser Dschihadisten geraten, die zum Märtyrertod bereit sind? Von den neun größten Kampfverbänden sind laut "Economist" zwei offen salafistisch, sechs weitere sind als islamistisch einzuordnen. Zu Ersteren gehört die Al-Nusra-Front, die mit Al Kaida in Verbindung und auf der US-Terrorliste steht. Just sie war Empfänger einer der letzten bekannten Waffenlieferungen über Kroatien. 

Und die Lage ist brisant: Russland, Iran und die libanesische Hisbollah unterstützen Assad gegen die Opposition, die (wie übrigens Al Kaida) zu großen Teilen aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten aufmunitioniert wird. Um die weitere Bewaffnung der Hisbollah zu verhindern, legt sich Israel direkt mit Assad an. Die USA als Freunde Israels wollen zwar nicht selbst eingreifen, begrüßen aber die britisch-französisch Initiative. 

Und die droht in Syrien Fehler des Kalten Kriegs in Afghanistan zu wiederholen. Ohne politische Folgenabschätzung einen Waffenbasar zu eröffnen, ist falsch verstandener Geschäftssinn. Cameron und Hollande dürfen nicht das Chaos im Nahen Osten fördern, indem sie womöglich Terroristen hochrüsten, um ihr Image daheim aufzupolieren. Daher: Genfer Friedensprozess statt Waffen für eine nicht greifbare Kriegspartei.

Quelle: APA-OTS, Aussender: WirtschaftsBlatt Medien GmbH, Autor Wolfgang Tucek

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