Ich bin ein Schüler, und heute in einer Woche beginnt mein letztes
Schuljahr. Die Matura naht. Der Plan für später: Studium der Politik-
und Kommunikationswissenschaften. Wahrscheinlich Master, das mache ich
dann von der Studienerfahrung abhängig. Ich kann es wirklich kaum
erwarten, mich von all dem für mich irrelevanten Dreck zu verabschieden
und endlich nur noch das zu lernen, was mich interessiert. Studieren
wird geil.
Aber so schnell geht das natürlich nicht. Und ihr ahnt schon, das
Thema von heute ist die Wehrpflicht-Debatte, die momentan nicht nur die
Politiker, sondern auch teilweise wirklich die österreichische
Gesellschaft an sich beschäftigt. Und genau deswegen habe ich auch so
angefangen.
Ich bin nicht der einzige Schüler Österreichs, der in dieser
Situation ist. Viele wollen maturieren und dann studieren, aber die
wenigsten können es. Sie werden in ihrer beruflichen und persönlichen
Entwicklung unterbrochen. Zwingend, verpflichtend – und vollkommen fürn
Arsch.
Wehrpflicht bedeutet Zwangsarbeit
Die Wehrpflicht in Österreich wird möglicherweise bald abgeschafft. So
ein großer Wurf von unserer Regierung? Schwer vorstellbar, das stimmt.
Darum lässt sie auch das Volk entscheiden. Im Jänner 2013 wird eine
Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht stattfinden. Man streitet sich nur
noch um die Fragestellung – „Ja/Nein“ oder eine Auswahl zwischen vier
Optionen?
Ich möchte mit dem Punkt anfangen, den ich bei dieser Debatte für
total untergegangen halte und der mich von Anfang an gegen die die
Wehrpflicht aufgebracht hat: Die Wehrpflicht ist nichts Anderes als
Zwangsarbeit.
Das klingt fast schon ein bisschen radikal, wenn man sich damit noch
gar nicht auf so einfacher Ebene auseinandergesetzt hat. Trotzdem ist es
Fakt. Junge Männer werden dazu gezwungen, monatelang eine Arbeit
auszuführen, die höchstwahrscheinlich nicht ihr späterer Beruf wird. Bei
aller Argumentation von einem späteren sozialen Nutzen und einer tollen
Erfahrung – das muss nicht sein.
Wehrpflicht vs. Berufsheer
Dieser Kampf wird momentan von Politikern, Medien und im Jänner dann
letztendlich vom Volk ausgetragen. Dabei wäre ein Berufsheer zweifellos
die bessere Version. Aber nicht nur, weil wir damit Zwangsarbeit
abschaffen würden, da gibt’s noch mehr:
Das Heer an sich macht keinen Sinn, denn unser Land ist in keinem
momentan denkbaren Kriegsszenario involviert. Wir pflegen zu keinem Land
schlechte Beziehungen, sind eines der vorbildlichsten Länder der
Europäischen Union und tun niemandem etwas. Zudem sind wir neutral.
Ein Argument, dass die Wehrpflicht an sich schon genug in Frage stellen
dürfen. „Wir tun niemanden etwas und schlagen uns auf keine Seite –
aber wir verpflichten unsere Männer, zur Waffe greifen zu können.“ –
macht das Sinn?
Wenn man hingegen davon ausgeht, dass Landesverteidigung für die
unmöglichsten Fälle von Kriegen notwendig ist und wir bewaffnete Truppen
brauchen, dann spricht immer noch alles für ein Berufsheer. Es macht
absolut Sinn, dass Profis Krieg führen. Wir können nicht Jugendliche
sechs Monate ausbilden und von ihnen erwarten, unser Land mit der Waffe
in der Hand zu verteidigen. Aber in einem Berufsheer verteidigen Profis
das Land – ständige Aus- und Fortbildung für Soldaten, die gerne
Soldaten sind. Selbst die große U.S. Army spart die richtig harten Jobs
wie die Verteidigung ausländischer Ölraffinerien auf für private
Sicherheitsfirmen – Profis eben, Badass! Apropos: Die großen USA sowie
China haben keine Wehrpflicht. Schwäche? …
Auch finanziell wäre es zielführender, ein Berufsheer zu haben. Unser
Heer ist „totgespart“, Panzer und Eurofighter werden in Frage gestellt,
verkauft, ausgemistet. Es ist ein riesiger Apparat, der viel kostet und
wenig bis gar nichts leistet. Von dem Geld, das mit der Abschaffung der
Wehrpflicht eingespart wird, kann man mehr als nur das Berufsheer
richtig finanzieren.
Finanzen und Sozialsystem
„Die Gesamtkosten für Grundwehrdiener im Österreichischen Bundesheer belaufen sich derzeit auf etwa 210 Millionen Euro pro Jahr. Ein Großteil dieser Summe könnte wesentlich effizienter in eine Profi-Truppe investiert werden. Rund 60 Prozent aller Grundwehrdiener pro Jahr gehen keinen soldatischen Aufgaben nach, sie dienen als Köche, Küchengehilfe, usw. ausschließlich der Systemerhaltung.“
- spoe.at
Wirtschaftlich wäre die Abschaffung der Wehrpflicht also auch
durchaus sinnvoll. Ein immenser Aufwand für nichts und wieder nichts
wäre weg und könnte besser investiert werden. Gerade in Zeiten der
Euro-Krise keine schlechte Idee, oder?
Die große Frage bleibt natürlich noch die, wie man den Zivildienst
ausgleicht. Ich bin mir sicher, dass lag jetzt schon einigen auf der
Zunge. Dazu muss man erst mal anmerken, dass der Zivildienst ein
Zugeständnis an die aufgeklärte Gesellschaft war. Eine Option für die,
die Waffen ablehnten und dem Krieg „Nein“ sagten. Zuerst wollte man ihn
sogar bewusst unattraktiv machen, aber der Fortschritt war nicht
aufzuhalten. Heute ist der Zivildienst ein fixer Bestandteil des
Sozialsystems und nicht mehr wegzudenken … oder?
Durchaus. Auch dies könnte man finanziell locker durch die
Einsparungen des Heers finanzieren. Sozialminister Rudolf Hundstorfer
brachte kürzlich einen Vorschlag zum freiwilligen „Sozialjahr“. Wer
möchte, kann sich ein Jahr lang wie im Zivildienst einer Organisation
unterstellen, um dort zu arbeiten. Auf freiwilliger Basis – das ist
wichtig! Diese Jobs würden dann auch besser bezahlt werden – 1300 € pro
Monat. Das ist zwar unter dem Mindestlohn, aber das sind die 300-400 €
für den Zivildienst auch – hier versteh ich die Kritiker einfach nicht.
Auch, wenn der Ansturm freilich nicht den gesamten Zivildienst abdecken
könnte, wäre es ein guter Anfang. Allgemein wäre es finanziell möglich,
den Verlust an Zivildienern abzufangen – besseres Gehalt für Arbeiter im
Sozialsystem, mehr Zuschüsse für Krankenhäuser, etc. Ich für meinen
Teil glaube nicht, dass all die geltenden Berufe so unattraktiv für den
Großteil der Bevölkerung sind.
Politik in Österreich
Noch ein bisschen was zum politischen Hintergrund der Volksbefragung:
Die ÖVP ist momentan nicht unbedingt glücklich mit ihrer politischen
Rolle. Die SPÖ als Koalitionspartner flirten mit den Grünen, und wenn
man selbst mit der FPÖ flirtet kommt das blöd. Muss ich erwähnen, warum?
Nun schlägt Erwin Pröll von der ÖVP vor, eine Volksbefragung zu
diesem Thema durchzuführen. Es ist bekannt, dass die Volkspartei und
ihre Wähler durchaus für die Wehrpflicht sind, und es gilt ebenso als
bekannt (seit der Forderung widersprechen sich die Statistiken), dass
eine kleine Mehrheit des österreichischen Volkes für die Wehrpflicht
eintritt. Aber wenn die ÖVP plötzlich in direkte Demokratie macht, kommt
das gut. Ich halte das für einen Wahlkampfgag, der nur dafür da ist,
das Image aufzupolieren. „Wir sind dafür, dass sich nichts ändert, aber
das ist das Volk sicher auch. Lassen wir sie abstimmen – dann haben wir
ihnen die direkte Demokratie gebracht und nebenbei noch für die Meinung
der Kritiker gekämpft“. Nett gedacht, aber das wird die Probleme der
Partei nicht in Luft auflösen. Scheinheiliges Pack.
Fazit
Nach einem Bitchmove der ÖVP wird nun scheinheilig das Volk befragt, da
man glaubt, die Antwort zu kennen. Kein Wunder bei einem Volk, das zu
einem großen Prozentanteil aus alten, rechten, konservativen und nicht
zuletzt auch dummen Menschen besteht. Das ist keine schlechte
Ausgangslage wenn es um eine Reform dieser Größe geht.
Trotzdem habe ich meine Hoffnung, dass die Vernunft siegt. Ein
Berufsheer wäre effizienter im Falle seiner Notwendigkeit, der
Zivildienst und der Katastrophenschutz könnten easy abgefangen werden
und höchstwahrscheinlich würde immer noch ein Taschengeld für andere
Investitionen übrig bleiben – wie wär’s mal mit Geld für die
Universitäten? Oder stimmen wir bald über Studiengebühren ab?
Wenn Österreich vernünftig ist, dann wird es die Wehrpflicht
abschaffen. Ich habe daran meine Zweifel, aber lasse es mir nicht
nehmen, bis zur Abstimmung dagegen zu kämpfen.

Autor
Steve Anorizz hat einen eigenen Blog und veröffentlicht nun auch Texte auf unserer Plattform. Wir freuen uns auf zahlreiche Texte!
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