
Quelle: KleineZeitung.at
Zunächst einmal muss die Frage nach den eigentlichen Aufgaben des Bundesheeres geklärt werden, die da wären: Landesverteidigung, Schutz der Einrichtungen und Einwohner, Katastrophenschutz, Schutz und Hilfe im Ausland. Gleich hier an dieser Stelle muss man unterscheiden, welche Aufgaben von einem Berufsheer, und welche Aufgaben auch von unseren jungen Rekruten gelöst werden können. Auch wenn ich kein Profi bin was das Bundesheer angeht, auch weil ich ja nie dort war, werde ich versuchen das ganze möglichst sachlich anzugehen.
Landesverteidigung
Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“
Dieser Absatz verpflichtet Österreich zur Landesverteidigung, und genau für diesen Zweck braucht es gut ausgebildete Piloten, Spezialkräfte und eine funktionierende Kommandostruktur. Dieser Punkt spricht definitiv für ein Berufsheer. Doch genau diese Aufgaben und so genannten Kernkompetenzen werden auch heute schon von Berufssoldaten ausgeführt. Kein Österreicher kann ernsthaft davon ausgehen, dass ein 18 jähriger Rekrut in den Eurofighter steigt, und nach 2 Monaten Dienst wieder geht. Natürlich sind für solche Aufgaben Berufssoldaten im Heer, die die Landesverteidigung sicherstellen.
Schutz der Einrichtungen und Einwohner
Eine weitere Aufgabe des Bundesheeres ist die Verteidigung von Bundeseinrichtungen, wie zum Beispiel dem Parlament. Sollten bewaffnete Kräfte, die sich innerhalb des Landes bilden (zum Beispiel eine Privatarmee von einer bestimmten Partei) diese Einrichtungen bedrohen, oder durch ihre Präsenz die demokratischen Rechte der Österreicher beschneiden, kann das Bundesheer auch hier eingesetzt werden. Allerdings nur, wenn das Innenministerium dies anordnet, weil diese Aufgaben eigentlich von der Polizei durchgeführt werden müssen.
Für diese Aufgabe eignet sich ebenfalls ein Berufsheer, denn junge und schlecht ausgebildete Rekruten sollten nicht bewaffnet in eine Stadt geschickt werden, in der gerade Unruhen ausgebrochen sind. Da ist die Nervosität viel zu hoch. Auch hier sind vor allem, aber nicht nur, Berufssoldaten gefragt. Hier ist wichtig wie dieses Berufsheer gebildet wurde. Mehr dazu später.
Katastrophenschutz
Eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesheeres ist der Katastrophenschutz. Und das ist auch gleich die Paradedisziplin der Rekruten. Sandsäcke stapeln, Keller auspumpen, die Bevölkerung beruhigen, aufräumen nach Katastrophen, Trinkwasserversorgung sicherstellen… die Liste der Aufgaben ist lang. Diese wichtige Aufgabe in Österreich spricht natürlich wieder für die allgemeine Wehrpflicht, denn durch die Wehrpflicht sind immer ein paar tausend Mann bereit für solche Fälle auszurücken, während die Berufssoldaten sich anderen Dingen widmen können wie zum Beispiel…
Hilfe im Ausland
Österreichische Soldaten sind auf den Golanhöhen, im Kosovo oder auch im Tschad im Einsatz, und verteidigen dort durch friedenserhaltende Missionen die Bevölkerung gegen eventuelle Aggressoren. Dieses Gebiet ist selbstverständlich dem Berufsheer vorenthalten, also auch hier benötigt es keine Rekruten.
Berufsheer, aber wie bildet man das?
Die Liste der Aufgaben hat gezeigt, Österreich braucht ein Berufsheer. Es ist notwendig, dass relevante und heikle Aufgaben von gut ausgebildeten Berufssoldaten, und nicht von mäßig motivierten Buben ausgeführt werden. Doch wie kommt man zu einem Berufsheer? Wie wird so ein Berufsheer gebildet, wenn es keine allgemeine Wehrpflicht gibt? Genau hier ist der Knackpunkt, und der für mich wichtige Punkt für die allgemeine Wehrpflicht.
Durch die allgemeine Wehrpflicht ist sichergestellt, dass Personen aller Bevölkerungsschichten, und auch Anhänger aller Parteien beim Bundesheer aufgenommen werden. Dort kann man sich dann entscheiden, sich zum Berufssoldaten ausbilden zu lassen. Der wichtige Punkt dabei ist, dass nicht nur Fanatiker, Waffennarren und Schießwütige zum Bundesheer gehen, sondern alle jungen Österreicher. Dadurch ist Sichergestellt, dass sich das Bundesheer nicht zu einer kleinen elitären Söldnertruppe entwickelt, die von politischen Parteien beeinflusst wird. Gerade in Zeiten, in denen es wirtschaftlich schlecht geht, und in denen die Zukunft ungewiss scheint, braucht es eine Armee, die ein Teil der Bevölkerung ist und die Österreich repräsentiert.
Die Armee als Teil des Volkes, oder gegen das Volk?

Iranische Armee – Quelle: N24
Den großen Unterschied zwischen einer Berufsarmee, und einem Berufsheer, dass sich aus der allgemeinen Wehrpflicht heraus entwickelt hat, kann man sehr leicht am Arabischen Frühling erkennen. In Agypten besteht die Armee zu zwei Dritteln aus so genannten Wehrmännern aus dem Volk. Das war einer der Gründe, warum man von Anfang an relativ sicher sein konnte, dass diese Armee niemals auf die Demonstranten schießen würde. Diese Armee ist Teil des Volkes, einige von ihnen sind pro Mubarak und einige contra. Im Zweifelsfall würde diese Armee zwar Kulturdenkmäler und Regierungseinrichtungen schützen, nicht aber mit Panzern und Raketen gegen die Bevölkerung vorgehen.
Im direkten Vergleich steht das Berufsheer aus Libyen, wo nur knapp 20% des Heeres aus Wehrpflichtigen besteht. Auch dort sind viele desertiert und einige übergelaufen, jedoch haben auch viele reguläre Streitkräfte ihre eigene Bevölkerung bombardiert und bekämpft. Besonders die paramilitärische Libysche Revolutionsgarde von Gaddafi, die immerhin 3000 Mann stark war, bekämpfte die eigene Bevölkerung bis zuletzt grausam und vehement.
Wenn man in Österreich möchte, dass das Bundesheer Teil des Volkes ist, darf man die Wehrpflicht nicht abschaffen, sondern muss sie anders organisieren.
So würde eine Lösung aussehen
Eine Möglichkeit wäre, die allgemeine Wehrpflicht beizubehalten, jedoch völlig neu zu strukturieren. Die ersten Wochen der Grundausbildung bleiben bestehen, danach wird entschieden. Möchte man Teil des Berufsheeres werden, kommt man in eine erweiterte Ausbildung mit Spezialisierung. Hier sollte ein sehr strenger psychologischer Test angesetzt werden, um eben nicht die Sorte an Wahnsinnigen dabei zu haben, die einen bewaffneten Kampf einfach toll finden.
Für all jene, die den bewaffneten Kampf nicht als Berufsziel haben, eine Ausbildung zum Katastrophenschutz, als Sanitäter oder welche Aufgaben sich da auch immer finden lassen. Für jene, die sich dazu entschieden haben, sollte es die Möglichkeit geben, hauptberuflich im Katastrophenschutz zu bleiben, und als Teil des Bundesheeres auch zum Beispiel auf Auslandseinsätze geschickt zu werden, um dort bei Katastrophen zu helfen, oder Wasser aufzubereiten. Auch ein staatlicher Sanitätsdienst, der die Rettung unterstützt würde sich anbieten.
Was würde das bringen?

Sanitäter des Bundesheeres – Quelle: bmlv.gv.at
Zunächst hätte man zwar ein Berufsheer, der Aufbau des Heeres wäre allerdings ein positiver, bei dem alle Bevölkerungsgruppen die Chance haben dabei zu sein. Bei der Landesverteidigung gibt es das spezialisierte Heer, genauso bei der Verteidigung der Einwohner und Einrichtungen. Trotzdem wäre das Heer ein Teil des Volkes, denn es wurde aus den Wehrpflichtigen gebildet. Bei Katastrophen hat man den Großteil der Wehrpflichtigen bereit, die von gut ausgebildeten Berufssoldaten des Katastrophenschutzes geleitet werden. Und bei Auslandseinsätzen, kann man beide Abteilungen des Berufsheeres schicken, um friedenserhaltende Missionen durchzuführen und den Menschen durch Trinkwasseraufbereitung oder Katastrophenschutz zu helfen.
Bei diesem Modell würde sich auch nicht mehr die Frage stellen, wie der Zivildienst weitergeführt werden sollte. Denn ohne Wehrpflicht, werden auch hunderte Zivildiener fehlen, die jedes Jahr ihre wichtige und gute Arbeit verrichten. In diesem Fall wird ein Teil der Zivildiener im Bundesheer Katastrophenschutz oder Sanitätsausbildung machen, nämlich der Teil ,der den Dienst an der Waffe verweigert. Und ein Teil würde wohl immer noch zum Zivildienst gehen, und dort Sanitäts- und Verwaltungsaufgaben übernehmen.
Die Idee, ein reines Berufsheer einzuführen, sollte gut überdacht werden. Das ist kein Thema, wo parteipolitisches Geplänkel Platz hätte, bei Themen wie diesen sollte man zuerst aufklären, und zwar richtig, und dann erst abstimmen lassen.
Autorin
Veronika Platt schreibt für “Spiegel der Gesellschaft” und veröffentlicht ihre Texte auch hier auf der Plattform. Danke auch an dieser Stelle nocheinmal an die Autorin!
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Das entscheidenste Argument gegen die Wehrpflicht ist die Wesensverwandtschaft zur Zwangsarbeit:
AntwortenLöschen"Als Zwangsarbeit wird eine Arbeit bezeichnet, zu der ein Mensch unter Androhung einer Strafe oder eines sonstigen empfindlichen Übels gegen seinen Willen gezwungen wird." (Wikipedia)
Die Wehrpflicht entspricht einer solchen Arbeit und beschneidet die individuelle Freiheit von jungen Männern. Nun wird man darin übereinstimmen, dass eine solche Verletzung von Grundrechten schlechthin abzulehnen ist, wenn sie keine Notwendigkeit hat. Daraus folgt, dass die Wehrpflicht abzuschaffen ist, sobald sie nicht mehr notwendig ist.
Eine Abschaffung ohne Alternativmodell wäre wohl derzeit vor allem wegen der Notwendigkeit von Zivildienern problematisch. Die Entwicklung eines solchen Alternativmodells sollte also ein äußerst wichtiges Anliegen sein.
Ich sage es nochmal in aller Deutlichkeit: Dass wir in Österreich in einem Staat wohnen, der junge Männer unter Androhung von Strafe zu kaum bezahlter Beschäftigung verpflichten muss, um das Funktionieren des Sozialwesens gewährleisten zu können, ist als furchtbarer Missstand zu betrachten. Ich verstehe ehrlich nicht, weshalb es in dieser Frage gerade in unserem Land derartig viele Diskussionen gibt. Dass die Wehrpflicht in einem aufgeklärten Europa keinen Bestand hat, sieht man am besten an dieser Karte: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Conscription_map_of_the_world.svg&filetimestamp=20110801190355
Liebe Grüße