Nabucco-Schlappe: Wien hat seine Diplomatie vergeblich dem Gas untergeordnet - Ausgabe vom 27.6.2013
Wien (OTS) - Eines vorweg: Europa und Österreich konnten bisher ganz
gut ohne Nabucco leben. Die Reduktion der Abhängigkeit von russischen
Gaslieferungen mag ein berechtigtes Anliegen sein, die Pipeline hätte
aber nur einen bescheidenen Teil zu diesem Ziel beigetragen und noch
dazu die Ambitionen in Richtung Energieeffizienz behindert.
Eine
schwere Niederlage stellt das Scheitern dennoch dar: Erstens für die
OMV, die für die Gasröhre nicht nur Managementkapazitäten verheizte
und nun vor einem imagemäßigen Scherbenhaufen steht. Zweitens, und in
weit größerem Ausmaß, für die österreichische Außenpolitik, die ihre
Ausrichtung ganz den fossilen Interessen der OMV unterordnete.
Das ist alles andere als unheikel. Außenminister Michael Spindelegger
und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gaben sich in
Aserbaidschan fast schon die Türklinke in die Hand. Wenn es um Öl und
Gas geht, wird nicht lange nach demokratischen Standards oder der
Beachtung von Menschenrechten gefragt. Und schon gar nicht danach, wo
die Einnahmen aus dem Energieboom verschwinden.
Offshore-Leaks hat
dabei ziemlich tiefe Einblicke in die milliardenschweren
Veranlagungen des Clans von Machthaber Ilham Alijew via Cook- und
Jungerferninseln gewährt.
Das hat das kleine Österreich alles nicht zu interessieren. Da werden
lieber Botschaften eröffnet, Allianzen geschmiedet, Verträge
unterzeichnet, Kränze am Grabmal niedergelegt. Man muss jetzt nicht
gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und Boykotte gegen autoritär
geführte Staaten fordern. Aber die österreichische Politik der
Anbiederung der vergangenen Jahre war kaum zu überbieten und hat
einige Verwunderung ausgelöst.
Zumal Spindeleggers Schwarzmeer- und
Kaukasus-Strategie auch andere Staaten umfasst, die vor allem eines
verbindet: Vorkommen oder Transit von Öl und Gas.
Als wäre das nicht genug, spannte Wien auch noch die EU-Kommission
vor den Nabucco-Karren. Die rackerte sich erst eifrig ab, um Zugang
zum Gas am Kaspischen Meer zu bekommen, Brüssels
Ermüdungserscheinungen waren zuletzt aber angesichts steigender
Projektkosten und nach hinten -geschobener Umsetzungsprognosen nicht
mehr zu übersehen.
Auch die Verkürzung der Pipeline, die nach
Adaptierung der Pläne nur noch bis zur bulgarisch-türkischen Grenze
reichen sollte, konnte keinen frischen Schwung verleihen.
Warum sollte Brüssel auch alles auf eine Karte setzen, wenn ein
günstigeres europäisches Konkurrenzprojekt existiert. Die
Transadriatische Pipeline TAP bringt ebenfalls kaspisches Gas nach
Europa, aber eben nicht über den Balkan und Österreich, sondern via
Griechenland und Albanien nach Italien. Für das Gaskonsortium waren
dabei nicht nur niedrigere Errichtungskosten, sondern auch höhere
Preise in den Abnehmermärkten ausschlaggebend.
Vorausgesetzt, der
Schiefergasboom und der damit verbundene Preisverfall macht nicht
auch der TAP einen Strich durch die Rechnung.
Die österreichische Außenpolitik sollte jedenfalls aus der schweren
Schlappe die Lehren ziehen. Wirtschaftliche Interessen in die
diplomatischen Beziehungen miteinzubeziehen ist essenziell, diese auf
die drei Buchstaben OMV zu reduzieren, erscheint hingegen mehr als
fragwürdig. Die Anbiederung an die Öl- und Gasbarone wurde am
Mittwoch eindrucksvoll abgestraft.
Quelle: APA-OTS, Aussender: "Der Standard"
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