4. Februar 2013

Asylanten sterben zu 36 Prozent

Nach der jüngsten Umfrage von Profil sind 64 Prozent der Österreicher dafür, den Hungerstreik der Asylanten in der Votivkirche einer guten Lösung zuzuführen.
Gut heißt in diesem Fall, zumindest für alle am Protestmarsch Beteiligten die gleichen Rechte zu schaffen und nicht jene zu benachteiligen, die sich wieder nach Traiskirchen ins Lager bringen ließen, nachdem die Zelte vor der Votivkirche zerstört worden sind. Gut heißt auch, eine vernünftige Lösung anzudenken, was die Arbeitsgenehmigung der Asylanten betrifft. Sie können nach geltendem Recht nur saisonal eingesetzt werden, durch mangelnde Deutschkenntnisse ist dieser Einsatz sehr beschränkt. Zumeist sind es gebildete junge Menschen mit IT- Kenntnissen und Kenntnissen der Social Media und, selbst für Österreicher, sehr guten Englischkenntnissen.
  
Es fehlt an Bildung für sie, in so kurzer Zeit die Sprache unseres Landes zu erlernen,
nicht an ihrem Willen. Derzeit wird trotz Hungerstreik mit Freiwilligen in der Votivkirche eifrig gebüffelt.
Was es für junge Menschen bedeutet, keiner geregelten Arbeit nachgehen zu dürfen, können nur österreichische Kurzzeitarbeitslose nachempfinden. Es geht hier neben den dringendsten Lebensnotwendigkeiten um finanzielle Eigenständigkeit und Absicherung, viel mehr aber noch um Selbstwertgefühl und Grundvertrauen.


In der europäischen Welt, die für sich humanitäre Grundlagen in Anspruch nimmt, kann es doch nicht in einem Staat 36 Prozent der Menschen gleichgültig sein, ob junge Menschen, die voll Vertrauen in eine sichere Zukunft zu uns gekommen sind, ihr Leben verlieren, weil sie nichts anderes für sich in Anspruch nehmen wollen als die Menschenrechte.

Sie sagen selbst, sie wollen nicht unsere Gesetze verändern und sind friedlich, ihr Wunsch ist
" peace ".
In ihrer Kultur, einige kommen auf der Flucht vor den Taliban aus Pakistan, ist es ein Zeichen friedlicher Auflehnung, in Hungerstreik zu treten. Mahatma Ghandi hat mit dieser Entschlossenheit die Eigenständigkeit seines Landes von der Kolonialmacht Britannien erreicht.
Viele in unseren Breiten finden Mahatma Ghandis Aussprüche und Taten, wie mir auch facebook- postings beweisen, bewunderns- und nachahmenswert. Tut dies aber jemand in der Realität, wird er/ sie einfach nicht ernstgenommen, ja kommt sogar durch Negligenz in lebensbedrohende Situationen.
Die Asylanten klagen nicht an, sie kompromittieren uns nicht einmal. Wenn sie beim Skypen von ihren Familien gefragt werden, warum sie so eingefallenen Gesichter haben, sagen sie, das wäre in Europa so Mode. Es ist beschämend.

Die Forderung, ihre fingerprints löschen zu lassen, entspringt ihrem kulturellen Verständnis für Kriminalisierung,Ihr kann natürlich bei uns nicht stattgegeben werden, da dies EU- Recht ist. Was aber hindert uns daran, ihnen zu erklären, dass das nichts mit Kriminalität zu tun hat und z. B. in beiden Amerikas von jedem Staatsbürger verlangt wird, bevor er seine greencard oder identity erhält?
Wofür haben wir Soziologen, Kultursoziologen, Psychologen, wenn diese sich nicht einbringen? Oder nicht vorgelassen werden, da nur 5 Menschen gleichzeitig die Kirche betreten dürfen?

Es ist kalt, es ist Winter, sie sind geschwächt, wir haben die Grippewelle- es gilt keine Zeit zu verlieren.
Der gute österreichische Weg- nur nicht hinschauen,
dann erledigt sich alles von selber- endet in dem Fall böse
und ich würde nicht gern die Verantwortung dafür tragen müssen.


Autorin

Die Autorin hat mehrere Jahre in Brasilien gelebt, eines davon ohne Arbeitsgenehmigung. Obwohl sie damals nicht Hungers litt, weiß sie um die zermürbende Situation zwischen Hoffnung und Vertrauensverlust und wie belastend erzwungene Untätigkeit ist, da sie zwingend zu sozialer Isolation führt.


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