25. November 2012

Die Grazer Wahl steht bevor

Ein Wahlkampf, der keiner war
Fast genau ein Monat vor Weihnachten, also bevor der Einkaufswahn voll losschlägt, gilt es in Graz noch eine Wahl zu schlagen. Ein Urnengang, der ungefähr so spannend ist wie neblige Novembertage, neigt sich dem Ende zu und es wird Zeit ihn Revue passieren zu lassen.

  
Aber wie beschreibt man einen Wahlkampf, der kein wirklicher Kampf war, der jegliche Spannung vermissen ließ? Zu klar war die Ausgangsposition bereits zu Beginn der Auseinandersetzung, als Bürgermeister Nagl (ÖVP) Ende Mai die Koalition mit den Grünen aufkündigte und Neuwahlen ausrief. 


Die anderen Parteien im Wahlkampf waren überrascht; obwohl das schwarz-grüne Projekt nie wirklich rund lief und ein Ende absehbar war. Als die ÖVP dann die Wahl auf den 25. November vorverlegte, um, so die Argumentation der Partei, einem Wahlkampf zu Weihnachten zu entgehen, war das Chaos im Rathaus wohl perfekt. Die wahre Motivation Nagl's für diesen Schachzug war wohl einerseits das Ausweichen der Wehrpflicht Abstimmung im Jänner und andererseits durch einen verkürzten Wahlkampf die übrigen Partien wahltaktisch auszumanövrieren. Der physische Wahlkampf begann für viele Parteien verzögert, Plakate und die klassischen Gifts kamen erst mit Verspätung auf den Grazer Straßen an, eine Gelegenheit, welche die Bürgermeisterpartei durchaus zu nutzen wusste. Weitläufiges Plakatieren, Wahlstände mit VP-Truck Unterstützung und viel Geld in Facebook Werbung schufen ihre eine Dauerpräsenz.

Die Situationen der einzelnen Parteien
Was aber nichts an der Themenlosigkeit des Wahlkampfs änderte; Neue Politik (SPÖ), Graz Anders denken (ÖVP) usw. waren die gängigen Slogans der Partien, was genau das bedeutet konnte niemand so recht beantworten. Somit blieb der Diskurs auf Phrasen beschränke, die Inhalte fehlten komplett. Mögliche Streitthemen wie das Feinstaubproblem und die Umweltzone wurden vorab per Volksbefragung abgehandelt.

 Woraus sich auch Rückschlüsse auf die erwartete niedrige Wahlbeteiligung schließen lassen, ohne übergeordnete Themen ist auch keine Mobilisierung möglich. Auch wagte es keine Partei den amtierenden Bürgermeister Nagl anzugreifen, zu groß ist sein Vorsprung in den Umfragen (bis zu + 20 % auf die Konkurrenz). Sogar die FPÖ, sonst für jedes offensive Fettnäpfchen zu haben, blieb mit Mario Eustacchio blass. Einzig ein Wahlvideo, welches ein untertalentierter 12jähriger in seinem Kinderzimmer produziert haben könnte, sorgte kurz für Verblüffung. Auch zwei Auftritte von Parteichef H.C. Strache in Graz, inklusive der üblichen Selbstbeweihräucherung, hatten keinen regen Zulauf, sodass die Freiheitlichen wohl bei 10 % zu liegen kommen werden. Das deckt ziemlich genau das Stammklientel, mehr aber wohl nicht.

Auf ähnlichen Level bewegt sich auch die Grazer Sozialdemokratie vor ihrem Umbau, hier kommt neben der Inhaltslosigkeit noch das Problem hinzu, dass Funktionäre fehlen, die auf der Straße laufen.  Martina Schröck möchte man derzeit wohl eher nicht sein, zuerst auch noch eine Kampagne der politisierten „Kronen Zeitung“ gegen sich zu haben, ist sicher nicht hilfreich. Da hilft ihr auch ihr jugendliches Auftreten auf Magenta-farbenen  Plakaten nicht weiter. Es wird ihr wohl kein Ergebnis gelingen, der SP-Spitzenkandidatin, die im Zuge einer Elefantenrunde auf die Frage „Warum SPÖ, nicht KPÖ wählen?“ keine Antwort wusste – Sie sollte sich wohl eher selbst in Frage stellen.

Womit wir auch schon bei der KPÖ wären, der Partei der Stunde in der Grazer Politik. Umfragen sagen ihr ein Ergebnis von 20 % voraus; was aber für Graz ebenso wenig bedeutet in eine Planwirtschaft umgewandelt zu werden wie es bedeutet noch einmal von der CIA unter Beobachtung gestellt zu werden. Elke Kahr setzte glaubwürdig und professionell auf ein einziges Thema (Wohnbau), lässt die kommunistische Geschichtstruhe geschlossen und führte einen Sachwahlkampf, der auch bürgerliche Wähler anspricht. Weiters lebt sie in Zeiten der Politikergehaltsdiskussion eine wirkliche Alternative vor, verzichtet auf jenen Teil ihres Gehaltes der über2000 Euro hinausgeht und setzt dieses Geld für soziale Zwecke öffentlich ersichtlich ein.

Angesichts dieses Erfolgs wurden auch die anfangs zurückhaltenden ÖVP Politiker langsam nervös, attackierten Kahr als Blockade Politiker, ließen Umfragen mit KPÖ Werten jenseits der 20% schalten und sogar die in Graz schwarz angehauchte „Kronen Zeitung“ warnte kampagnisierend vor einer Unregierbarkeit der Stadt; wohl alles Kalkül um die eigenen Leute an die Wahlurnen zu bekommen. Angesichts eines so großen Vorsprungs und des doch ereignislosen Wahlkampfs sicher ein Problem für die VP.

Nagl‘s ehemaliger Koalitionspartner, die Grünen unter Lisa Rücker, wurden von der vorgezogenen Wahl mehr als die anderen Parteien überrascht und so fiel es ihnen schwer von der Regierungsbank weg einen Wahlkampf zu beginnen. Dadurch war Rücker mit der Situation konfrontiert , die Verbotspolitik der Grazer VP mitgetragen zu haben und nun im Wahlkampf dagegen auftreten zu müssen, um ihre Wählerschichten nicht zu vergraulen.  Da das Thema Feinstaub/Umwelt im Vorfeld der Wahl durch die Volksbefragung aus dem Rennen war, fehlte den Grünen auch das Aufhängerthema für ihren Wahlkampf. Dementsprechend gequält verlief auch Rückers Wahlkampf, verschärfend wirkt noch, dass die Grünen nach der Wahl jedenfalls in Opposition sein werden.

Bleiben noch die Kleinstparteien: Das BZÖ versuchte den Mangel an Wahlkampfkapital als Tugend zu verkaufen und führte einen „Überzeugungswahlkampf“. Besser gesagt: Einen Kampf ums Überleben, schließlich müssen Gerald Grozs und seine Kollegen um den Einzug in den Gemeinderat zittern, die Restbestände an Haider-treuen Exil Kärntnern werden aber für den Jörg- Wahlverein wohl nicht mehr reichen. Die Piraten führten zwar einen engagierten Wahlkampf, aber auch ihnen fehlte das zugkräftige Thema um wirklich Stimmung zu machen. Dennoch bleiben sie die große Unbekannte, viele trauen ihnen den Einzug in den Gemeinderat eher zu als dem BZÖ. Von den übrigen Wahlgruppen hat keine ernsthafte Chancen auf ein Mandat, zu speziell sind die Forderung von Christen und Co.
Bleibt noch eine weitere große Gruppe übrig: Die Nichtwähler werden wohl 45% der Wahlberechtigten ausmachen und damit Politiker und Politologen vor die Frage stellen: Wieso gehen immer weniger Menschen zur Wahlurne? Wäre direkte Demokratie, wie derzeit oft diskutiert eine Lösung? Eine mögliche Erklärung wäre der Lebensstandard der Stadt Graz. Einem Großteil geht es gut und daher sinkt die Bereitschaft wählen zu gehen, um ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Aber morgen um diese Zeit wissen wir schon mehr.

Autor
Bernhard Schindler studierte und lebt in Graz und ist gerade dabei ein Blog-Projekt aufzubauen. Eine Nachbesprechung der Wahl wird ebenfalls folgen, wir bedanken uns schon jetzt herzlich dafür!




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