18. Januar 2013

1984 ist JETZT


George Orwell wird häufig zitiert, wenn es um menschenverachtende Zwangsüberwachung und Generalverdacht des ganzen Volkes geht. Doch wie weit sah dieser Visionär die Zukunft voraus oder wurden seine Schreckensvorstellungen einfach realisiert?

Wir schreiben dass Jahr 2013 - Bundestrojaner, INDECT, Bargeldlimit in manchen EU Ländern, Datenkraken wie Facebook, Apple und Google sind in aller Munde nur die Auswirkungen dieses gigantischen Panoptikums zu erkennen fällt schwer. Gerade wenn man sich in einem System befindet ist die Betrachtung von Oben notwendig, um die körpereigene Verdrängung zu umgehen. Legen wir die beiden Bücher, das der heutigen Realität und 1984 vor uns auf den Tisch und vergleichen einfach drauf los...


…Abkürzungen um Wörtern den Sinn zu nehmen. Im Roman wird das Ministerium für Liebe (Zuständig für die Liquidierung von politischen Gegnern und Dissidenten) abgekürzt mit Minilieb. In unserer Gesellschaft würde es höchstwahrscheinlich viel abstrakter mit MfL abgekürzt werden. Womit man nicht mal mehr einen Hauch der ureigensten Wörter verknüpfen kann. Unser „Minilieb“ nennt sich FOSK (Kommando Führung Operationen Spezialkräfte) die wiederum die DSO (Division spezielle Operationen) befehligt die dann die KSK (Kommando Spezialkräfte Link: http://www.zeit.de/2010/31/KSK-Kommando-Spezialkraefte) los schickt um sogenannte chirurgische Operationen (Auftragsmord) auszuführen.

…Das Ministerium für Wahrheit - bzw. Miniwahr wird heute in viele unterschiedliche Zensur und Propagandastellen unterteilt. Eine Zensurstelle wird heute abgekürzt mit BPJM - In der Vermischung von sinnvoller Tätigkeit (aussondern von jugendgefährdendem Material) und der unbegründeten Selektion von Büchern, Audio- und Videoaufnahmen steckt ein Potential der Informationsfilterung sonders Gleichen. Daneben gibt es den Verfassungsschutz in einem Land dass keine Verfassung besitzt (siehe GG 146) - dessen Aufgaben in den letzten Jahren so nebulös wurden und seine Verfehlungen  so haarsträubend sind, dass man nicht mehr von Dummheit sondern von Absicht sprechen muss. Sechszehn Bildungsministerien mit Abkürzungen wie MBWJK (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz) entscheiden über die Schulpropaganda des jeweiligen Bundeslandes. Die Liste der Propagandaorgane ist unvollständig und verdient eigene Bücher, keine Artikel.

…Die Vergangenheit wird kontrolliert und selektiv wiedergegeben. Im Falle von Gaddafi ist dies zum ersten Mal einer breiteren Masse aufgefallen. In den Siebzigern war er ein Massenmörder bis in die Neunziger, dann war er wieder ein lieber Diktator und zu Besuch in so ziemlich allen Staaten. In dieser Zeit wurden die Verbrechen in den Nachrichten nicht thematisiert. Nachdem die Amerikaner beschlossen haben ihn wieder zum bösen Diktator zu erklären, wurde rückwirkend im Fernsehen nur seine Verbrechen gezeigt. Unsere wurden weitestgehend vorenthalten.

Krieg ist Frieden beziehungsweise aus jetziger Sicht: „Friedenserhaltende Maßnahmen“. Krieg wird immer schön verpackt und konsumgerecht in kleinen Häppchen schmackhaft gemacht. Soldaten kämpfen nicht für Bodenschätze, Handelswege und geostrategische Posten, sie kämpfen für Frauenrechte, gegen den Terror und bomben für Demokratie. Es ist „eine Frage der Ehre“ deutscher Bundeswehrsoldat zu sein. So blitzen einem die Werbeplakate zur Rekrutierung entgegen, die so sehr an Hollywood erinnern, dass man an Blut, Tod und Verzweiflung nur in Verbindung mit einem Happy End denken kann.

Zwiedenken wird nun durch die reine Lehre der Pawlowschen  Konditionierung in Schule, Ausbildung, Universität und Gesellschaft erreicht. Das gezielte weglassen der Hegelschen Didaktik mit der ein Individuum in die Lage versetzt wird seine eigene Meinung (Synthese) aufgrund von einer Behauptung (These) und einer Gegenbehauptung (Antithese) zu bilden und zu vertreten wurde ersetzt durch ein Bildungssystem des Nachplappern und Anpassens. Die Bologna Reform setzte diesen Maßstab auch in den Universitäten um. Es wird auch nicht mehr offen geforscht sondern Ergebnisorientiert, solange Zahlen in Tabellen geschubst, bis das Ergebnis heraus kommt das man möchte.

… die Hasswoche Orwells ist nun die permanente Hasszeit. Es gibt TV Formate in denen von der Gesellschaft verachtungswürdige Personen reihenweise vorgeführt werden wie auf dem Jahrmarkt. Die Zeitungen Berichten nur von Skandalen und lenken die immer fortwährende Wut auf alles und doch gar nichts, in dem chronisch eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Vor den projizierten Ängsten kann nur der große Bruder – Staat beschützen und so schließt sich der Kreis.

…wenn eine Unperson erst einmal ausgeschaltet ist durch einen chirurgischen Eingriff (Mord) lässt man die Erinnerung in Form von Nachrichten und Reportagen schrittweise verschwinden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Osama bin Laden. Er war die Schreckensfigur, die so leicht aus dem angestaubten Puppenkasten „Terror“ hervorgekramt werden konnte um die Menschen mit ihrer Angst zu kontrollieren. “Er“ war daran Schuld, dass in Guantanamo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, “Er“ war daran Schuld, dass in Form von Homeland Security, INDECT und sonstigen Überwachungsspäßen die eigenen Bürger unter Generalverdacht gestellt wurden. “Er“ trägt die Schuld alleine dafür das wir auf unsere Grundrechte so selbstverständlich verzichteten für unsere eigene Sicherheit. Nachdem diese Person so populär wurde, das “Er“ bekannter wurde als der Präsident der vereinigten Staaten von Amerika, ließ man ihn vaporisieren und Stück für Stück aus unserer medialen Erinnerung verschwinden.

Es ist nicht etwa so als liefe überall permanent die Webcam und BigBrother Schäuble und BigSister Merkel projiziert ein Beamer in jedem Haushalt an die Wand mit der Propaganda-dauerschleife wie im Roman. Wir halten es subtiler und verstecken uns hinter der vorgegeben Otto-Normalbürger-Meinung auf Facebook und gleichen uns allen anderen an. Die Kleidung und der Haarschnitt sind in den letzten Jahren immer Gruppenkonformer geworden. Die Identifikationsmerkmale sind zwar von Gruppe (Yuppi, Punk, Emo, Normalo…) unterschiedlich geprägt, jedoch innerhalb dieser Subgesellschaften gleichen sich die Äußerlichkeiten ähnlich der Meinungen immer mehr einander an. Heterogenes Denken ist unerwünscht in der ständig publizierenden oberflächlichen Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke. Hinzu kommt das Gefühl ständig unter Beobachtung zu stehen, dies führt zur Vorsicht. Diese Vorsicht wird zu einer langlebigen unterschwelligen Angst, mit der man verhandelt bei jedem abweichenden Verhandeln - Ist es noch ok? - Wie viele likes bekommt das wohl? - Wenn das jetzt mein Arbeitgeber liest, werde ich noch befördert? Wenn mein Gesicht von einer Gesichtserkennungs-videokamera aufgenommen wurde bei einer Demonstration, wirkt es sich auf meine Zukunft aus?

So bleibt mir zu guter Letzt nur der immer öfter zitierte Spruch von Benjamin Franklin: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“


Autor
Marcus Bohlander ist Autor und für den Inhalt des Textes verantwortlich. Es wurde bereits ein umfangreicher Auszug aus seinem Buch "Die Wurzel des Denkens" auf unserer Plattform veröffentlicht. Dieser weiterere Text des Autors ist hier zu finden!


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