6. November 2012

Wahlnacht in den USA

Es ist soweit. Der (vermeintlich) mächtigste Mann dieser Welt wird gewählt.
Am 6. November stellt sich heraus, ob „Titelverteidiger“ Barack Obama dem republikanischen Herausforderer Mitt Romney weichen muss. Was uns Europäer das angehen sollte?

An und für sich gar nichts. In Europa schimpft man nur gerne darüber, was für Idioten die Amerikaner doch sein müssen, dass jemand wie Mitt Romney bei ihnen ernsthaft eine Option darstellt. Und damit haben wir recht: jemand wie Romney hätte in Europa keine Chance, Staatsoberhaupt zu werden. Zumindest nicht durch faire Wahlen. Dafür hat er zu viel Geld zu intransparent angelegt. Dafür sind seine Positionen zu konservativ.



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Das ist genau die Zielgruppe der republikanischen Partei: Konservative. Während früher Republikaner vs. Demokraten so was wie Rechte gegen Linke in Europa darstellte, geht es jetzt eher um den Kampf zwischen Konservativen und Progressiven. Republikaner wählen Romney, weil er gegen Abtreibung („Pro Life“, Obama dagegen ist „Pro Choice“), gegen Homoehe, gegen Drogen jeglicher Art (auch medizinischer) und sowieso gegen alles ist, was dem guten alten American Dream nicht ins Bild passen will. Außerdem ist er nicht schwarz, was in manchen Gegenden der USA immer noch ein Argument ist.
Aber er dominiert in dem Thema, welches den Wahlkampf prägt: Wirtschaft. Mitt Romney kommt aus der Privatwirtschaft (Bain Capital) und hat auch schon politische Erfahrung (Gouverneur von Massachusetts). Den parteiinternen Kampf der Republikaner gewann er, weil er mit Wirtschaftskonzepten überzeugen und am besten gegen Barack Obama wettern konnte.
Fakt ist, dass so ziemlich alles gelogen ist, was aus Romneys Mund kommt. In der ersten TV-Debatte beispielsweise log er in 38 Minuten Sprechzeit 27 Mal. Das belegen mehrere „Fact-Checker“ – Leute, die von Beruf aus Aussagen von Politikern auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen. Nette Sache.
Mitt Romney prangert beispielsweise die Gesundheitsreform von Obama an. Diese basiert jedoch auf seiner eigenen, die er als Gouverneur eingeführt hatte. Er versteht es allerdings recht gut, sich einem Statement dazu zu entziehen. Hauptsächlich wirbt er außerdem damit, außen- wie wirtschaftspolitisch stark zu sein, und zwar … im Wesentlichen genau wie Obama. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass Mitt Romney eine Steuerkürzung für den Mittelstand durchboxen will. Gleichzeitig verspricht er immer, dass er keine Steuerkürzung durchsetzen wird, die zum Haushaltsdefizit beiträgt. Keine Rechnung wird bestätigen, dass dies vereinbar ist.
Damit bleibt eigentlich ziemlich wenig übrig. Obama hat seinen Fahrplan, über den man wenig weiß. Denn wer einmal Präsident ist, dessen Inhalte interessieren plötzlich weniger. Im Gegensatz zu Romney ist er progressiv eingestellt, für die Einführung der Homo-Ehe zum Beispiel. Ansonsten: Energieautarker werden, einen harten, aber verhandlungsfähigen Kurs mit Russland, China und dem Iran und die Stärkung der hauseigenen Wirtschaft, um wieder das zu werden, was man vielleicht in den 50ern war. Ein Motor.

Bildquelle: orf.at
  Barack Obama
Während Romneys Angriffsflächen relativ offen liegen und gerade in europäischen Medien gerne ausgeschlachtet werden, liegen die von Obama eher im Hintergrund verborgen. Die Obama-Administration verkaufte beispielsweise Waffen an die Regierung von Bahrain. Das wird genauso totgeschwiegen wie der Fakt, dass der Arabische Frühling dort genauso einschlug wie in Ägypten. Nur gewann dort die Regierung – mit US-Waffen. Der Trick war einfach, alle Waffen in Teilen von jeweils weniger als einer Million Dollar an Wert zu verkaufen – so musste man die Lieferung nicht deklarieren, und so brauchte das State Department gar nicht weiter erklären, was man da handelte.
Selbiges gilt für Saudi-Arabien. Während man anderen Staaten Arabiens und des Ostens allgemein im „Krieg gegen den Terror“ schon „Demokratie“ und „Frieden“ sichern wollte, können die Saudis tun was sie wollen. Sie sind der wichtigste US-Verbündete, die Erdölvorkommen liegen offen und das Volk darf dafür nach wie vor in der Steinzeit leben. Ist auch so ‘n Kulturding, aber das hat schon einen bitteren Beigeschmack, wenn man bedenkt, was in Libyen passierte. Dort war man im Vergleich zu den Saudis extrem westlich eingestellt – kulturell wie politisch. Der einzige Unterschied: Gaddafi hatte das Öl verstaatlicht. Und ja, auch in Saudi-Arabien gab’s Proteste, die „nicht berichtenswert“ waren. Die herrschende Klasse verschenkte daraufhin Geld, und die Menschen gaben Ruhe.
Drohnenattacken im Jemen, angeordnete Tötung von US-Staatsbürgern, die Unterstützung von SOPA, PIPA und ACTA und versuchte Einschränkung der Pressefreiheit sind nur ein paar der Punkte, die man hier noch nennen könnte. Auch, dass mittlerweile mehr Truppen in Afghanistan sind als zu Kriegsbeginn – trotz Abzug. 32.800 waren’s zu Beginn seiner Amtszeit, 33.000 wurden abgezogen – aber erst, als man auf 98.000 war. Weil ich aber nicht den Rahmen sprengen möchte, möchte ich noch auf eines hinweisen. Nämlich, dass Obama sich mit fragwürdigen Leuten umgibt.
Timothy Geithner, der Finanzminister, war vorher bei der Federal Reserve Bank tätig – der größten privaten Bank der Welt. Ja, die ist nicht staatlich, nur weil sie sich so nennt. Michael R. Taylor, früherer Chef von Monsanto – einem Konzern, der weltweit das Monopol auf (vergiftete) Landwirtschaft halten will und uns tagtäglich vergiftet – wurde Vorsitzender der FDA – des Lebensmittelministeriums! Auch genug Bänker von Goldman Sachs und anderen systemrelevanten Großbanken sowie Anwälte privater Sicherheitsfirmen befinden sich in Obamas Ministerien. Und wir wissen mittlerweile, dass die Welt von Menschen im Hintergrund gelenkt wird. Ihr wisst, worauf ich hinaus will …
Mitt Romney
Mitt Romney ist Mormone. Das ist für das konservative, republikanische Lager, welches er bedienen muss, fast so schlimm, wie schwarz zu sein. Dabei ist der mormonische Glaube ganz nett! Die Mormonen gehen davon aus, vor ihrer Inkarnation auf der Erde gewählt zu haben, ob sie ein Leben auf der Erde wollten. Sie wussten genau, was auf sie zukommen würde – und gingen aus dem Paradies zur Erde. Das bedeutet, die Mormonen glauben daran, sich alles selbst ausgesucht zu haben.

Besser noch: Wenn sie zurückkommen, haben sie die Chance, aufzusteigen. Irgendwann, nach einigen Leben, selbst Gott zu werden. Gott hat übrigens auch eine Frau, deshalb ist Homo-Ehe böse und deswegen gilt die Ehe bei Mormonen wirklich bis in alle Ewigkeit – sonst keine Möglichkeit zum Gottesstatus. Das klingt doch nach einer guten Einstellung für einen Präsidenten?

Trotz dieser etwas alternativen Lebenseinstellung hat sich Romney im Vorwahlkampf durchgesetzt. Gegen einen christlichen Fundamentalisten, einen von Medien zensierten Visionär, einem Erzkonservativen und einem Versicherungsheini, dessen ganzes Programm so langweilig war, dass nicht mal ich mich an seinen Namen erinnern könnte. Ist aber auch grad völlig nebensächlich.
Gewonnen hat Mitt Romney wie gesagt durch das Thema Wirtschaft. Immer wieder bezieht sich Romney in seinen Reden auf die Menschen, die ihn um Hilfe anflehen. Wenn man das alles zusammenzählt, haben Leute aus jeder Berufsgruppe und sonstiger Einteilung ihn gebeten, seinen oder ihren Job zu retten. Kein einziges Mal folgte eine Fortsetzung, in der diese Personen sie auch bekamen. Das andere Hauptargument lag im Vorwahlkampf – durch Angriffe seiner Opponenten – hauptsächlich bei seiner Firma Bain Capital. Als Mann aus der Privatwirtschaft weiß Romney – so sollte man meinen – worauf es ankommt, um im Plus zu bleiben. Ob das so richtig ist, darf man bezweifeln. Es gibt Korruptionsvorwürfe bezüglich der Olympischen Spiele von Salt Lake City, an denen er maßgeblich beteiligt war. Sein Unternehmen an sich hat den Ruf, sich in dieser und jener Causa abgesprochen zu haben um immer mit Profit davonzukommen.
Auch zu berücksichtigen: Romney ändert seine Positionen sehr populistisch. Jetzt als Kandidat der republikanischen Partei ist er gegen seine eigene Gesundheitsreform. Er ist gegen Abtreibung, gegen Homo-Ehe, gegen all das eben, was die gesellschaftlichen Werte von heute und morgen sind. Er will zwar Steuern für die Mittelklasse senken, will aber gleichzeitig weniger Sozialleistungen an Studenten austauschen. Lustig, dass er in einer TV-Debatte genau das Gegenteil behauptete. Auch oft gescholten wird er für seine Einstellung zur globalen Erwärmung:

Es ist unbestreitbar, dass sie da ist – er ist sich nur nicht so sicher, ob sie vom Menschen kommt. Es gibt diverse Verschwörungstheorien, nach denen die Klimawandellüge im engen Zusammenhang mit Obama steht … aber lassen wir das. Es gibt auch die Theorie, dass Obama ein Vampir ist. (ja, da bin ich ohne Scheiß bei Recherche drauf gestoßen) Verschwörungstheorie Sidestep #2: Romney wird hauptsächlich von Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor gesponsert. Obamas größter Sponsor ist eine Universität.

Dazwischen steigt er auch gerne mal in Fettnäpfchen, wie wir bei den Olympischen Spielen dieses Jahr sehen konnten. Oder als er ein Statement zu dem Anschlag auf die libysche Botschaft abgab, als noch gar nichts darüber bekannt war. Oder als er 47 % der Wähler als nicht arbeitswilliges Pennervolk bezeichnete – diese Aufnahme hätte wohl nicht öffentlich werden sollen.

Conclusio?
An dieser Stelle würde ich mich gerne hochoffiziell für einen der beiden Kandidaten aussprechen und eine fundierte Synthese liefern. Allerdings ist diese Wahl wirklich eine zwischen Pest und Cholera. Obama strahlt nach außen hin, während die US-Hintergrundadministration Unmengen an Scheiße baut, die wir großteils nie erfahren werden. Romney würde er vermutlich genauso machen, er liefert nur eine weniger weiße Weste vom Start weg. Ob Mormone oder Schwarzer, ob Unternehmer oder Titelverteidiger – auch viele Amerikaner sind sich einig, dass die Wahl nicht wichtig ist. Die größte Partei bleiben die Nichtwähler.
Mein einziger Ausblick an dieser Stelle bleibt also: Am 6. November wird ein neuer Präsident gewählt. Er wird Krieg führen.

Autor
Stefan Schett betreibt ein Onlineportal und veröffentlicht Texte mit politischem Bezug auch auf der Plattform für Wirtschaft, Politik & Gesellschaft.

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