6. Dezember 2013

Bildungsdebatte aus einem anderen Blickwinkel

Fast alle Tageszeitungen bringen seit Mitte November 2013 Artikel zur Bildungsdebatte und zum Lehrerdienstrecht, das gerade Gegenstand der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP ist. Die meisten sind schlecht recherchiert und scheinen von Leuten geschrieben, die ihre eigene Schulzeit nicht aufgearbeitet haben. Die Kommentare aus der Bevölkerung sind teilweise unsachlich bis polemisch. Die Neiddebatte ist wieder einmal ausgebrochen. Alle diese fühlen sich berufen, ihr Urteil abzugeben, weil jeder einmal als Schüler in einer Schule war oder gerade schulpflichtige Kinder hat. Keiner von ihnen hat jemals eine Stunde lehrend in einer Klasse verbracht. Es macht einen großen Unterschied aus, welche Pflichten man in einem System hat.

Es macht auch einen großen Unterschied aus, wo genau man sich in diesem System befindet. Bei der Debatte um das Lehrerdienstrecht wurde, wie Konrad Liessmann im standard- Artikel vom 25.11. bemängelt, wieder einmal zu kurz gegriffen. Es scheint, als ob keine Systemkritik stattgefunden hätte, die auf fundierten Analysen basiert.
Nur so hätte man endlich zu einer Jobbeschreibung kommen können, die heutzutage zu einem Must werden sollte. Es würde sich die Debatte um 22 oder 24 Stunden sehr schnell erübrigen, würde man eine 40 Stundenwoche hernehmen und festlegen, welcher Bereich( Forschung, Lehre, Organisation und Management, Weiterbildung etc ) mit wieviel Prozent zu erfüllen ist. Dies wäre im Rahmen der Schulautonomie gut machbar, z.B. wer mehr forscht oder organisiert und so der Schule dienlich ist, unterrichtet weniger. Wer selber forscht, wird auch nicht so viel Weiterbildung brauchen. Es ist richtig, das betrifft eher den Bereich der Höheren Schulen für die es m.E. ab der Sekundarstufe II eine besondere Ausbildung braucht. Hier stimme ich Liessmann vollkommen zu dass die Bachelorausbildung mit einjährigem Masterstudium nicht reichen wird.

Ich gehöre noch der alten Schule an, machte meine Lehramtsprüfungen 1980 und 1981 und schloss mit einer eigenständigen wissenschaftlichen Hausarbeit und 2 schriftlichen Klausurarbeiten und 2 mündlichen Colloquia ab, die Stoff beinhalteten, der weit über den Schullehrplan hinausging. Während meiner Lehrtätigkeit war ich sehr froh über diese fundierte Ausbildung, die mich auch befähigte, weiterhin wissenschaftlich zu arbeiten und meine Wissensgebiete auch meinen SchülerInnn zur Verfügung zu stellen. Bei Lehrmethoden wie Projektunterricht und Offenem Lernen ist es von Lehrerseite unbedingt nötig, den größtmöglichen Überblick über die den Schülern gestellten Themen zu haben, um sie beraten und unterstützen zu können und nicht womöglich ungefiltert auf oft wissenschaftlich zweifelhafte Artikel im Internet zurückgreifen zu müssen.

In den International Schools weltweit gibt es das, was bei uns dereinst das Konzept des " Stufenlehrers " war. Leider ist die SPÖ von diesem Konzept, das mir sehr brauchbar erscheint, nun abgerückt. Gemeint ist damit, dass jede Lehrkraft sich von Stufe zu Stufe weiterbilden kann und dann in der nächsthöheren Stufe zum Einsatz kommt. Das erscheint mir fairer, als jeden als Bachelor zu entlassen und dann entscheidet das Los? der Landesschulrat? eine Partei? wo jemand einsteigt und welche Weiterentwicklungschancen er/ sie hat. Ein anderes Argument scheint mir in diesem Zusammenhang ebenfalls angebracht: Warum sollen alle für alle Gegenstände einsetzbar sein?

Wer in der Volksschule unterrichten möchte, muss nicht Algebra für die Oberstufe einer Höheren Schule studiert haben. So werden auch viele Lehramtsstudierende in dem neu angedachten System herausfallen und dem Beruf verlustig gehen. Es werden neue Studienabbrecher geschaffen, wenn sie nach dem Bachelorstudium die Hürde zum Master (und das berufsbegleitend) nicht schaffen. Oder es wird die Qualität der Ausbildung so leiden, dass es wirklich zu einer Nivellierung nach unten kommt. Die Jugend braucht gerade in der heutigen Zeit, wo es um jeden Arbeitsplatz geht, hervorragende Bildung und Ausbildung durch motivierte Lehrkräfte, die nicht nur die Legitimierung durch neue Titel haben. Österreich ist ohnehin ein Land, in dem man lieber einen Titel mehr verleiht als in den Geldtopf zu greifen und Qualiät auch ordentlich zu entlohnen.

Autorin
Dieser Text wurde von Mag. Brita Pilshofer verfasst, die sich auch in ihrer beruflichen Tätigkeit intensiv mit dem Thema Bildung beschäftigt. Ihr derzeitiges Projekt ist hier zu finden.

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