26. April 2013

Zum Pazifismus

Gewalt ist eine häufige Konsequenz, wenn die Bedürfnisse zweier oder mehrerer Parteien in Konflikt geraten. Sie wird von allen Lebewesen mit dem Ziel ausgeübt, die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf jene anderer durchzusetzen. Mit dem Kompromiss hingegen verfolgt man die Absicht, die Bedürfnisse aller am Konflikt beteiligten Parteien objektiv und vorurteilsfrei zu gewichten und so zu einer Lösung zu gelangen, mit der sich jeder einverstanden erklärt. Warum ein Kompromiss wünschenswert und unter welchen Bedingungen er möglich ist, damit werde ich mich im Folgenden beschäftigen.


Die Idee des Kompromisses ist einer der emotionalen Intelligenz entsprungenen Einsicht zu verdanken, nämlich dem ethischen Gleichheitsgrundsatz. Bedürfnisse derselben Qualität, denen im gleichen Ausmaß das Vermögen innewohnt, Glück und Leid zu befördern, sind demnach stets auf dieselbe Weise zu gewichten und zu berücksichtigen, von welchem Lebewesen sie auch stammen mögen. Auf dieser Grundlage wird seit Jahrzehnten der irrationale Charakter rassistischer, sexistischer, egoistischer und anderweitig diskriminierender Vorurteile mit großem öffentlichen Bewusstsein diskutiert und man darf noch darauf hoffen, dass dieses Bewusstsein eines Tages auch die speziesistischen Vorurteile erfassen wird, die der Mensch unvernünftigerweise gegenüber allen anderen Tieren hat.

Jedenfalls sehen wir einen förderlichen Umstand für den Kompromiss dadurch schnell ein: Alle Beteiligten sollten über die emotionale Intelligenz verfügen, um die Bedürfnisse anderer annähernd nachempfinden und sie im Vergleich zu den eigenen in ein möglichst vorurteilsfreies und objektives Maß bringen zu können. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass hierzu nur die wenigsten Lebewesen fähig sind. Dass Gewalt in zivilisierten Gesellschaften dennoch als Eskalation von Konflikten gilt ist dem Umstand zu danken, dass dem Menschen mithilfe religiöser und ähnlich autoritärer Erziehungsmittel auch dann Werte und Ideen wie die des Kompromisses beigebracht werden können, wenn er rational und emotional nicht oder nur bedingt in der Lage ist, ihre Sinnhaftigkeit nachzuvollziehen.


Der Kompromiss also, in dem jeder Partei genau die Rücksicht zuteil wird, die sich aus objektiver und vorurteilsfreier Gewichtung der Bedürfnisse ergeben hat, stellt das gewaltfreie Ideal der Konfliktlösung dar. Dies erreichen zu wollen bedeutet, eine pazifistische Grundhaltung in Konflikten einzunehmen. Leider ist dieses Streben nach dem Ideal machmal erfolglos, denn Lebewesen sind weder gänzlich objektiv noch frei von jeglichem Vorurteil. Außerdem ist es in manchen Szenarien praktisch unmöglich, Kompromisse einzugehen. Dies gilt etwa dann, wenn man in die Defensive gedrängt und einem die Gewalt vom Aggressor aufgezwungen wird.


Da dieses Thema in allen Lebenslagen von großer Bedeutung ist und Formen von psychischer und physischer Gewalt in alltäglichen Auseinandersetzungen genauso eine Rolle spielen wie auch in den größten Konflikten der Weltpolitik, möchte ich jedem Leser die hier besprochene pazifistische Grundhaltung und die Vergegenwärtigung des ethischen Gleichheitsgrundsatzes ans Herz legen.

Autor
Markus Hittmeir hat bereits ein Buch publiziert und verfasst großartige Texte, die er auf seinem Blog, aber häufig auch hier, veröffentlicht. Herzlichen Dank dafür!


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