4. Februar 2013

WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Diese Energie-Revolution wird für Europa teuer - von Hans Weitmayr

Es wird in Sachen Energiepolitik kein Trittbrett mehr geben 

Wien (OTS) - Wenn der quasi oberste Arbeitgebervertreter Europas, also Ex-ÖIAG-Chef Markus Beyrer, die Energiepolitik Europas im WirtschaftsBlatt-Interview durchaus kritisch analysiert, so steht er mit dieser Einschätzung nicht alleine - der "Game-Changer" Schiefergas ist vollkommen unverhofft über die Welt hereingebrochen und hat Europa auf dem falschen Fuß erwischt. Während es die USA geschafft haben, eine neue, wettbewerbsfähige Energiequelle zu erschließen, hat Europa die längste Zeit fast ausschließlich auf die Öko-Schiene gesetzt und in Teilbereichen wie Windenergie sogar Marktverzerrungen und Blasenbildungen verursacht - der Spruch vom Weg zur Hölle, der mit guten Absichten gepflastert ist, findet in diesem Zusammenhang einmal mehr seine eindrucksvolle Bestätigung. 


Denn während Energie in den USA billiger wird, verteuert sie sich in Europa. Das führt dazu, dass die Union weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Besonders energieintensive Branchen könnten sich eine Umsiedlung von Produktionsstätten weg von den Hotspots im arabischen Raum hin zu den USA überlegen. Europa bliebe einmal mehr außen vor. Oder schlimmer: Produktionen, die aufgrund des stabilen politischen Umfelds in Europa gehalten wurden, könnten wegen des entstehenden Kostenvorteils ebenfalls in die USA verlegt werden. 

Dazu kommen direkte Kosten, die durch den schrittweisen Rückzug der USA aus den öl- und gasreichen Regionen der Welt entstehen. Was in diesem Zusammenhang auf die Europäer zukommt, können wir dieser Tage in Mali beobachten: Die USA rühren dort keinen Finger, die Kosten des Einsatzes, der in einer an Uran reichen und von französischen Firmen kontrollierten Gegend stattfindet, werden laut offizieller Schätzungen 340 Millionen Euro betragen. 

Dass just in diesem Augenblick die Briten mit dem Austritt aus der EU drohen, kann man als Zufall sehen, muss man mit Blick auf langfristige sicherheitspolitische Herausforderungen aber nicht. Insbesondere dann nicht, wenn man die Zahl der EU-Länder, die diese Aufgaben erfüllen können, an zwei Fingern abzählen kann. Ob Schiefergas zum jetzigen Zeitpunkt in Europa eine Variante sein kann, ist zu Recht umstritten. Die mutmaßlichen Umweltschäden sind in einem derart dicht besiedelten Gebiet schwer zu argumentieren. Also sollte man mit Hochdruck nach schonenderen Fördermethoden forschen - und sich der Tatsache bewusst werden, dass Europa in zehn Jahren kein Trittbrett mehr finden wird, auf dem es in Sachen Energie- und Sicherheitspolitik mitfahren kann.

APA-OTS Originalaussendung, herausgegeben von der Wirtschaftsblatt Medien GmbH 

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