Die Wehrpflicht entstand aus einem Szenario der Kriegsführung, bei dem angenommen werden musste, dass größere Truppenverbände jederzeit über die ein oder andere Grenze kommen könnten, um die territoriale Integrität Österreichs in Frage zu stellen. Zu diesem Zweck war es nötig, stets eine größere Zahl an Soldaten bereitstehen zu haben, und eine noch größere Zahl an ausgebildeten Soldaten schnell wieder einberufen zu können. Nachdem auch die ehemaligen Staaten des Ostblocks und auch der Balkan inzwischen keine Bedrohung mehr darstellen, ist auch die Gefahr einer Invasion mit großen Truppenverbänden restlos verschwunden.
2: Wehrpflicht muss sicherheitspolitisch begründet werden können
Diese Erkenntnis hatte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog schon 1995, als er der Wehrpflicht das „in Stein gemeißelt sein“ absprach, und die Diskussion um Ihre Sinnhaftigkeit in Deutschland angeheizt hat. Wir zitieren:“Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein allgemeingültiges ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können. Gesellschaftspolitische, historische, finanzielle und streitkräfteinterne Argumente … werden im Gespräch mit dem Bürger nie die alleinige Basis für Konsens sein können. Wehrpflicht glaubwürdig zu erhalten heißt also zu erklären, weshalb wir sie trotz des Wegfalls der unmittelbaren äußeren Bedrohung immer noch benötigen.” (Quelle hier) Für Österreich bedeutet das vor allem eines: Die Diskussion um die Abschaffung oder Beibehaltung der Wehrpflicht soll sich ausschließlich um die Wehrpflicht, und nicht um den Sozialdienst oder die Kosten drehen.
3: Ein NATO Beitritt ist nicht wahrscheinlicher
Ob wir ein Berufsheer haben oder nicht, ist für einen eventuellen NATO-Beitritt völlig irrelevant. Es wird versucht die Menschen dahingehend zu verunsichern, dass behauptet wird, ein NATO Beitritt würde durch dieses Berufsheer vorbereitet. Es gibt jedoch viele Länder, die zwar ein Berufsheer haben, aber trotzdem nicht bei der NATO sind. Außerdem hat Österreich im Moment sowohl ein Berufsheer, als auch nebenbei die unfreiwilligen Rekruten. Dementsprechend wäre das Ende der Wehrpflicht für einen eventuellen NATO-Beitritt kein Kriterium.
4: Professionalität statt unwilliger Pfusch
Ein Berufsheer aus Freiwilligen ist in allen Belangen wesentlich besser ausgebildet. Nicht nur wenn es um die Landesverteidigung geht, sondern auch in den Punkten Katastrophenschutz, Terrorismusbekämpfung, Schutz der sensiblen Einrichtungen und vielem mehr. Doch nicht nur die Ausbildung ist wesentlich besser, sondern auch die Motivation eines Berufsheeres. Während viele Jugendliche nur ihren Präsenzdienst absitzen wollen, um danach endlich ihrem Leben nachzugehen, sind Soldaten eines Berufsheeres dort, weil sie es wollen.
5: Grenzschutz ist sinnlos
Wir sitzen inzwischen im Herzen Europas und es gibt keinen Grund mehr, die Grenzen zu bewachen. Aufgaben des Zolls werden vom Zoll übernommen, Sicherung der Grenzgebiete gegen länderübergreifende Straftaten ist Aufgabe der Polizei. Jugendliche, die immer noch an der Grenze ausharren müssen, vergeuden ihre Zeit. Inzwischen ist klar, dass nicht einmal das Sicherheitsempfinden der grenznahen Bevölkerung dadurch gesteigert wird, sondern einzig und allein der Kleinbürger in der Großstadt das Gefühl hat, dadurch einen Mehrwert an Sicherheit zu bekommen. Denn an der Grenze sieht es so aus für unsere jungen Burschen:
6: Kein Verlust der Lebenszeit
Ein Jahr lang für sein Land zu opfern, mag für einige Menschen ein Ideal sein, für andere eine Art heiliger Pflicht. Doch ob dieses Opfer wirklich „für das Land“ gebracht wird, sei dahingestellt. Auch ob dieses Opfer irgendwie einen Sinn ergibt, sollte man Hinterfragen. 60% der Rekruten sind ausschließlich Systemerhalter, und arbeiten dafür, dass die enorme Menge an Rekruten versorgt und organisiert werden kann. Dadurch haben viele Grundwehrdiener wohl auch zu Recht das Gefühl, vollkommen sinnlos ihre Zeit abzusitzen
7: Wehrpflicht ist selbstentlarvend
60% der Männer sprechen sich vor dem Wehrdienst für eine Beibehaltung der Wehrpflicht aus. Kaum haben diese jedoch den Wehrdienst geleistet, sprechen sich 60% der Männer gegen die Wehrpflicht aus. (Quelle hier) Jene, die den Dienst an der Waffe also genossen haben, erkennen auch selber, wie sinnlos es ist, wahllos und kompromisslos jeden in eine Wehrpflicht zu drängen.
8: Demokratieverträglichkeit
Eine schwierige Frage war auch vor allem, ob ein Berufsheer nicht irgendwann politisch gesteuert werden kann, und derart abgekapselt von der Bevölkerung agieren kann, dass es eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen könnte. Das mag in vielen Ländern dieser Welt tatsächlich ein Problem sein. Oft sind die Soldaten über mehrere Jahre in anderen Ländern, oder anderen Regionen des Landes. Durch einen langen Verbleib in den Kasernen, mit fehlender Medialer Struktur (man denke an Nordkorea) bilden diese Soldaten eine Subkultur, wodurch man die Soldaten wesentlich leichter gegen die eigene Bevölkerung einsetzen kann. In Österreich jedoch sind die Soldaten fest in der Bevölkerung verankert. Niemand verbringt Monate abseits in einer Kaserne, abgeschottet vom Rest der Welt. Außerdem ist Österreich klein genug, dass man bei einer Versetzung in eine andere Kaserne trotzdem am Abend nach Hause fahren kann. Daher ist diese Gefahr in Österreich nicht gegeben.
9: Katastrophenschutz und Hilfe
Die Anzahl der Pioniere und Soldaten im Katastrophenschutz wäre groß genug, um Schutz und Hilfe bei Lawinen, Überschwemmungen, Murenabgängen und anderen Katastrophen zu gewähren. Gemeinsam mit den freiwilligen Feuerwehren stehen gut ausgebildete und motivierte Männer und Frauen zur Verfügung. Die Anzahl der Grundwehrdiener bei Rettungs- und Katastropheneinsätzen ist auch jetzt schon minimal und wird durch die höhere Anzahl an ausgebildeten Berufssoldaten leicht auszugleichen sein.
10: Wehrpflicht ist Sklaverei?
Wenn der Staat dich zwingt, unter Androhung von Sanktionen (Gefängnis, Strafzahlungen) eine gewisse Zeit gegen deinen Willen an einem bestimmten Ort zu verbringen. Und du dann schlecht bezahlte Arbeit leisten musst, und dich auf Übungsplätzen quälen lassen musst, ohne die Möglichkeit zu entkommen, dann nennt man das Wehrpflicht.
Wenn ich unter Androhung von Sanktionen andere Personen gegen ihren Willen festhalte und zwinge, Arbeit für mich zu verrichten, und sich von mir herumkommandieren und erniedrigen zu lassen, ohne die Möglichkeit zu entkommen, wie nennt man das dann?
Das ist natürlich Polemik, denn bei Steuern kann ich auch nicht sagen, dass ich ausgeraubt werde. Aber Fakt bleibt trotzdem, dass die Wehrpflicht einen großen Einschnitt in die Freiheit von jungen Männern darstellt, und nur dann angewendet werden sollte, wenn andernfalls das Gemeinwohl massiv gefährdet wäre. Nachdem das nicht der Fall ist, ist die Wehrpflicht abzuschaffen, da nicht mehr Zeitgemäß. Womit wir wieder bei Punkt eins wären.
Autorin
Veronika Platt schreibt für www.spiegel-der-gesellschaf.at und veröffentlicht ihre Texte dankenswerterweise auch auf unserer Plattform.
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