Seit ich vor fast einem Jahr in einer beliebten Wiener Tageszeitung vom „gefährlichen Sturmtief, dass aus dem Ausland zu uns kommt“ gelesen habe, ist mir klar, dass die Chronik der meisten Tageszeitungen einfach dazu da ist, möglichst spannende Kriminalgeschichten oder unfassbare lokale Begebenheiten zu erzählen. Dabei ist es anscheinend besonders wichtig, Menschen und auch Dinge in verschiedenste Kategorien einzuteilen. Da hätten wir die Ausländer, Migranten und Andersgläubige, die scharf von der breiten Masse der Leserschaft abzugrenzen sind, und die guten braven und ehrlichen Bürger unseres Landes.
Bereits in der Bevölkerung
Wenn ich dann in die Arbeit komme, mit einem Printmedium in der Hand, empfängt mich meist einer meiner Vorgesetzten mit Worten wie: “Haben Sie gelesen was schon wieder war? Dieser Typ, der die Handtasche stehlen wollte? *zensored*-kic heißt der – eh klar, der ist sicher kein echter Österreicher“ oder „Was sagen Sie zu dem eifersüchtigen Türken, das ist doch typisch oder? Das ganze Pack sollten wir wieder zurückschicken“. Je nachdem wie streitlustig ich gerade bin, antworte ich Dinge wie: „Ja den Fritzl auch. Ahso, der gehört ja zu ‘uns’“, oder „Ich glaube nicht, dass das Verbrechen irgendwas mit der Herkunft 4ten Grades des Mannes zu tun hat. Übrigens sind wir ein Vielvölkerstaat, der nicht nur aus Personen mit arischen er-Endungen im Namen besteht. Das gehört zu Österreich dazu!“
Leider ist es vergebene Liebesmüh. Ich bin froh, dass in der Firma die wenigsten so eine Meinung vertreten. (Statistisch vielleicht 20% – also eigentlich ein repräsentativer Querschnitt?)
Die Tat in Klagenfurt
© GERT EGGENBERGER (APA)
Die Auswüchse bei „Heute“
Quelle: derStandard.at
Frei nach dem Motto:“Diesmal wars kein Ausländer oder Moslem, aber es hätte genau so gut einer sein können, denn das Verhalten des Mannes war doch sehr ähnlich zu den Klischees die wir so von unseren muslimischen Mitbürgern kennen“. Das bewog zwei Reporter dazu, folgendes Kommentar in die Zeitung zu schreiben: „Der Kraftfahrer (43) gehört zur Sorte Mann, die zum Glück eher hinterm Halbmond lebt. In Ländern, wo das Gesäß beim Beten höher ist als der Kopf. Partnerinnen betrachten sie als Besitz. Macht sich der selbstständig, sind sie im Stolz verletzt und drehen durch.“
Eifersucht abhängig von Religion?
Zunächst bezweifle ich stark, dass Eifersucht, Verlustangst und unkontrollierter Zorn Eigenschaften sind, die von einer bestimmten Religion abhängig gemacht werden können. Es gibt Menschen die eher heißblütig sind, und es gibt Menschen, die eher in sich gekehrt sind. Südamerikaner zum Beispiel, werden im allgemeinen (genau wie Spanier oder Italiener und -zig weitere Völker) als eher heißblütig bezeichnet, während Schweden, Finnen, Kanadier, Chinesen oder Japaner eher als ruhig und zurückhaltend angesehen werden. Aber diese Vorurteile kann man keinesfalls auf einzelne Individuen projizieren.
So gibt es genauso heißblütige Finnen, wie Argentinier, und es gibt auch geradezu stoische Spanier genau wie total überdrehte Japaner. Jeder Mensch ist einzigartig, und darf nicht auf seine Herkunft und Religion reduziert werden. Das wäre etwas, was man den Menschen wieder einmal bewusst werden lassen sollte. Gerade deswegen sind Aussagen wie die der „Heute“-Reporter mehr als überflüssig.
Passanten versuchen die Frau zu retten
Beherzt überwältigen zwei Passanten den Mann, der mit einem Messer bewaffnet war, und ermöglichen so den Rettungskräften den ungehinderten Zugang zur Schwerstverletzten. Was jedoch in der ersten Fassung von „Heute“ nicht geschrieben steht: Einer der beiden Passanten war Kärntner, der zweite war Rumäne. Warum wird nicht erwähnt, woher die Passanten kommen? Warum wird deren Religion nicht hinterfragt? Ist es selbstverständlich, dass ein Mensch bei einem Mord in einem fremden Land sofort der wildfremden Frau zu Hilfe eilt?
Ehrliche Frage: Würden SIE bei Ihrem Urlaub bzw Aufenthalt in Tunesien bei einem Mord mit einem Messer beherzt dazwischen gehen, und den Angreifer versuchen zu überwältigen? Natürlich möchte ich hierbei den Einsatz des gebürtigen Kärntners keinesfalls schmälern, auch er ist ein Held, und sollte lobend erwähnt werden! Das die Nationalität der beiden Helden nicht erwähnt wird, finde ich zwar richtig, aber wenn man bei jedem Artikel immer extra erwähnt, sollte ein Beschuldigter einen Migrationshintergrund haben, so sollte auch erwähnt werden, wenn Helden einen Migrationshintergrund haben.
„Heute“ versucht zu kalmieren
Heute hat „Heute“ einen sehr guten Artikel zu diesem Vorfall verfasst, den ich auch ausnahmsweise sehr gerne verlinke. Zu der zweiten und neutralen Berichterstattung über die schreckliche Bluttat in Klagenfurt durch „Heute“ geht es HIER. Selten habe ich im „Heute“ einen Artikel gelesen, der so objektiv, neutral und der Situation angepasst war wie dieser. Das wäre die Art von Journalismus, die ich von einer Zeitung (auch wenn sie umsonst ist) erwarte. Selbst die Journalistengewerkschaft verurteilt das Verhalten der Reporter im ersten, veröffentlichten Artikel aufs Schärfste. Der Standard berichtet der Gewerkschaftsvorsitzender Franz C. Bauer forderte Konsequenzen und kündigte die Einschaltung des Presserats an. “Das ist eine Grenzüberschreitung, nach der man nicht kommentarlos zur Tagesordnung übergehen kann”, so Bauer in einer Aussendung. (Zitat Ende, Quelle: Standard.at ) Daraufhin hat der Chefredakteur von „Heute“, Dr. Christian Nusser, folgende Erklärung bezüglich der unmöglichen Berichterstattung durch seine Mitarbeiter abgegeben:
Liebe “Heute”-Leserinnen, liebe “Heute”-Leser,
in der heutigen Ausgabe von “Heute” finden sich in einem Artikel Formulierungen, die rassistisch sind. Ich bin darüber bestürzt und möchte mich dafür in aller Form entschuldigen.
Als “Heute”-Chefredakteur darf ich Ihnen versichern, dass wir direkte und/oder subtile Verunglimpfungen von Menschen oder gar Menschengruppen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Glaubens zutiefst ablehnen. Wir haben in der Vergangenheit gegen jede Form des Rassismus angekämpft und werden das auch in Zukunft tun.
Ich darf Ihnen versichern, dass wir intern prüfen, wie es zu einer derartigen Fehlleistung kommen konnte und werden daraus Konsequenzen ziehen. Bei allen, die sich durch den Artikel vor den Kopf gestoßen fühlen, darf ich mich noch einmal entschuldigen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Nusser
Chefredakteur
Die Hoffnung lebt
Man kann nur hoffen, dass dieser Fall, so grauslich und geschmacklos er auch war, in Zukunft den Kollegen und Kolleginnen der Reporter in Erinnerung bleibt. Vielleicht werden wir in Zukunft weniger oft darüber lesen, ob der ein oder andere Verbrecher eine Oma in Tschechien, einen Onkel in Rumänien oder einen Muslim als Stiefvater hat. Die Hoffnung lebt, dass in der Chronik über die Verbrechen und die lokalen Begebenheiten berichtet wird, ohne dass bei jedem Fall sofort nachgefragt wird, wie Österreichisch die Protagonisten eigentlich sind. Und die Hoffnung lebt, dass auch mein Vorgesetzter irgendwann die Menschen hinter den Staatsbürgerschaftsnachweisen und den Nachnamen ohne -er-Endung erkennt.
Autorin
Veronika Platt schreibt für die Seite
www.spiegel-der-gesellschaft.at und veröffentlicht ihre Texte dankenswerter Weise auch auf der Plattform für Wirtschaft, Politik & Gesellschaft.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen