„Volksbefragung“, ein wundervoll romantisch klingender Begriff. Ein direktdemokratisches Instrument, deren Intention es ist, der Bevölkerung Mitsprache und auch Einflussnahme auf eine bedeutsame politische Frage zu ermöglichen.
Genauer betrachtet jedoch erkenne ich sehr
wenig von diesen löblichen Ambitionen in der hitzigen Debatte zur
Volksbefragung über die Wehrpflicht. Ich zweifle stark daran, dass die
Entscheidung, diese Befragung durchzuführen, aus dem Wunsch unserer
PolitikerInnen entstanden ist, die Menschen in Österreich stärker
einzubeziehen. Ich möchte ihnen nicht vorwerfen, dass sie nicht verstanden
haben was die eigentliche Idee einer solchen Befragung ist. Denn ich glaube die
meisten sind intelligent genug das zu verstehen. Ich möchte ihnen vielmehr
vorwerfen, dass sie diesen demokratischen Baustein zu einem populistischen
Werkzeug der übelsten Sorte verkommen lassen.
Natürlich ist es schwierig, im politischen
Haifischbecken, in dem mehr und mehr Teilnehmende populistisch und äußerst
fragwürdig vorgehen, seriöse Politik zu machen. Doch sollten nachhaltig
orientierte und verantwortungsbewusste Regierungsparteien, als solche sich SPÖ und ÖVP ja selbst gerne darstellen, anders
vorgehen wenn sie diesem Anspruch auch tatsächlich
gerecht werden wollen.
Nicht fähig aus ihren ideologischen
Schützengräben herauszutreten und endlich ihren Aufgaben nachzukommen,
Kompromisse zu finden und in weiterer Folge Entscheidungen zu treffen, wälzen
unsere VolksvertreterInnen politisch höchst sensible und äußerst komplexe Fragen,
die eigentlich ein großes Fachwissen erfordern, auf die Bevölkerung ab. Ein
bejammernswerter Versuch sich der politischen Verantwortung zu entziehen und
sich so über die nächsten Wahlen zu retten! Und dabei halten sie es nicht
einmal für nötig ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen. Doch sie
scheinen damit durchzukommen. Viele jubeln gar über eine Stärkung der „direkten
Demokratie“. Soweit hat uns der Populismus gebracht!
Wie sollte man nun abstimmen, da wir ja
sowieso vor vollendete Tatsachen gestellt werden? Eine schwierige Herausforderung!
Auch deshalb weil die Fragestellung, so
wie sie gewählt wurde, den eigentlichen Kern der Sache vollkommen verwässert.
„Wehrpflicht“ wird leider ständig im gleichen Atemzug mit Zivildienst und der
Sicherung sozialer Infrastruktur genannt. Ich glaube diese Themen sollten
endlich entkoppelt werden, denn es sind nun einmal verschiedene Dinge. Natürlich,
unter der momentanen Regelung hängen diese Fragen eng zusammen, doch wer sagt,
dass sie es auch weiterhin müssen? Die Frage sollte sich beschränken und nur heißen:
„Wollen wir ein Berufsheer oder sind wir für die Beibehaltung der Wehrpflicht?“
Wenn die Wehrpflicht fällt, dann heißt das logischerweise auch, dass
Zivildienst und Co neu organisiert werden müssen. Selbstverständlich wird dies nicht
reibungslos und ohne Irritationen vonstatten gehen. Das auszuhandeln ist Job
von PolitikerInnen und ExpertInnen, nicht unserer! Wir stehen dabei gerne
beratend zur Verfügung, in Form einer aufrichtigen, ihrem Sinne entsprechenden
Volksbefragung.
In so vielen Bereichen unserer Gesellschaft,
egal ob Bildung, Verwaltung, Gesundheit oder Pension, herrscht seit Jahrzehnten politischer
Stillstand. Meist, so glaube ich, aus den selben Gründen: Angst vor
Veränderung, Bewahrung tradierter Privilegien, Ignoranz, politisches Kalkül! Nun
also haben wir am 20. Jänner die zweifelhafte „Chance“ in einem dieser Bereiche
einen Prozess in Gang zu bringen der so sicherlich nicht endgültig ist. Ich
kann nicht sagen ob ein neues Modell eine nachhaltige Verbesserung bringt, auch
aufgrund fehlender, bzw. kaum aufzutreibender Informationen. Wer allerdings
unvoreingenommen und rational über den Tellerrand der österreichischen Grenzen hinaussieht,
kann durchaus Tendenzen erkennen in welche Richtung es gehen könnte. Ich weiß auch,
dass im momentanen System sehr viele Ineffizienzen und Fehler vorhanden sind.
Wenn wir dabei bleiben, tun wir genau das, was so viele von uns ständig
bemängeln. Wir meißeln in Stein. Wir begraben jede Chance auf Wandel für sehr,
sehr lange Zeit. Hier geht es nicht um Ideologien und Parteilinien, hier geht
es darum uns nicht selber Zukunftschancen zunichte zu machen.
Schon Georg Christoph Lichtenberg (Mathematiker/Schriftsteller,
1742-1799) wusste nicht ob es besser wird, wenn es anders wird. Doch wusste er,
dass es anders werden muss, wenn es gut werden soll. Wollen wir nicht alle, dass
es gut wird? Hoffen wir also auf Veränderung.
Autor
Lukas Fleisch, 24 Jahre, Student der Politikwissenschaften und
Wirtschaftswissenschaften
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